Mamas erstes Jahr – eine Welt der Veränderung: ein Interview mit Franziska Helms

Mamas erstes Jahr – eine Welt der Veränderung: ein Interview mit Franziska Helms

 
In unserer 4. Episode von Millis Podcast – von Eltern für Eltern sprechen unsere Moderatorin Lisa und Millis-Gründer Patrick mit Franzi Helms, einer renommierten Coach, Trainerin und Speakerin, die sich auf selbstbestimmte Mutterschaft und Elternschaft spezialisiert hat. Franzi teilt ihre Expertise und persönlichen Erfahrungen zu Themen wie Erwartungsdruck, Kommunikation in der Partnerschaft, Selbstfürsorge und der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Dieses Interview bietet wertvolle Einblicke für alle, die nach Wegen suchen, den Herausforderungen des Elternseins mit Stärke und Klarheit zu begegnen.

Herzlich willkommen Franzi. Stell dich doch gerne einmal vor.

Ich bin Franzi Helms, ich bin Coaching, Trainerin und Speakerin für selbstbestimmte Mutterschaft und Elternschaft, das heißt, es geht bei mir um Erwartungen, also gerade fremde Erwartungen. Aber auch unsere eigenen Erwartungen, die wir alle an uns haben, also sehr viel um Erwartungsdruck, aber auch um Kommunikation, gerade in der Partnerschaft, aber auch Themen wie Grenzen setzen und dementsprechend auch Selbstfürsorge. Ein wichtiges Thema ist natürlich auch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und Mental load und wie das dann am Ende auch aufgeteilt wird. Ich komme aus Hannover und arbeite aber auch ganz viel online und habe 2 Töchter.

Wie unterscheidet sich denn die Vorstellung davon, Mutter zu werden von der Realität Mutter zu sein?

Das Problem ist ein bisschen, wir haben von ganz vielen Sachen ein romantisches Bild wie irgendwas zu sein hat und das ist bei der Mutterschaft oder bei der Elternschaft auch ganz häufig so. Das fängt häufig schon mit der Schwangerschaft an, oder mit der Geburt. Dann gibt es Sprüche wie sowas, wenn man das Kind erst mal in den Händen hält, dann vergisst man alles andere und es wird ein bisschen dann immer unterstellt, wir als Mütter müssen eigentlich diese volle Glückseligkeit haben, von Anfang an und dann für immer. Aber die Vorstellung einfach von Mutterschaft und die Realität klaffen einfach sehr häufig auseinander. Und das führt dazu, dass wir einfach zu hohe Erwartungen haben und auch einfach falsche Erwartungen haben, wie dann diese Mutterschaft letztendlich aussehen soll.

Was sind die negativen Herausforderungen in einer Schwangerschaft oder in der Elternschaft?

Kinder zu bekommen ist eine riesige Lebensveränderung. Wenn nicht sogar die Größte, die wir im Leben haben können und die stellt dieses ganze Leben auf den Kopf. Und die ist natürlich super schön. Es ist toll, es ist super ein Baby in die Welt zu setzen, man hat einfach eine unendliche Liebe und ganz viel Glück und Freude, aber es hat auch eine andere Seite und diese andere Seite ist genauso herausfordernd und um über diese Herausforderung wird halt ganz häufig nicht gesprochen, weil wir lieben ja unsere Kinder, wenn die auf die Welt kommen und deshalb ist immer so ein bisschen die Frage, dürfen wir das denn jetzt? Dürfen wir denn jetzt was Schlechtes sagen? Dürfen wir auch mal sagen, dass dieses Kind, was wir uns auch sehr gewünscht haben, nach dem wir uns ja sehr gesehnt haben, dass uns das zum Rande unseres Seins bringt und dass wir vorher nie so eine Wut empfunden haben wie vor dieser Schwangerschaft, vor diesem Kind. Und das ist ganz häufig, dass wir darüber nicht sprechen dürfen, das ist nicht so gesellschaftsfähig. Jeder möchte natürlich, dass nach der Geburt alles super ist und alles dreht sich um dieses Baby. Wir haben es ganz häufig, dass, sobald eine Frau schwanger ist, einfach ungefragt Ratschläge erteilt werden und auf einmal auch sämtliche Hemmschwellen fallen. Auf einmal ist es in Ordnung, übergriffige Ratschläge zu geben oder auch intime Fragen zu stellen. Also das ist total abgefahren. Wie kommen auf einmal fremde Menschen da dazu, einer Schwangeren an den Bauch zu fassen? Was ist denn hier auf einmal los? Also wieso ist auf einmal das in Ordnung, das zu dürfen? Ich fass ja auch nicht jemanden an den Bauch. Auf so eine Idee würde ich nicht kommen und auf einmal fallen da sämtliche Hemmschwellen. Und jeder hat auf einmal einen Ratschlag für dich. Und dann geht es ja soweit: Stillst du, stillst du nicht, werdet ihr ein Familienbett haben doch lieber nicht? Das ist auch alles gleich immer sehr dramatisch, also gerade, wenn es um Kinder geht, wird alles immer sehr dramatisch dargestellt und da gibt es auch immer sehr extreme Meinungen, je nachdem mit wem man da spricht. Und das ist halt einfach das, was einen dann schnell auch verunsichern lässt. Man muss ja bedenken, dass man in dieser Zeit, in der man schwanger ist, man selber ja unfassbar verletzlich und auch sehr verunsichert ist. Was kommt da jetzt auf mich zu? Man macht sich viele Gedanken: Was wollen wir denn jetzt eigentlich selber als Familie, was möchte ich eigentlich und dann kommt noch die ganze Außenwirkung dazu und dann trägt das zu dieser Verunsicherung einfach sehr bei.

 

Wie war das denn bei dir, was waren deine größten Herausforderungen, als du Mama geworden bist?

Ich glaube ehrlich gesagt, ich hatte sehr viele. Ich hatte auch durchaus eine eigene Identitätskrise in der Zeit. Deshalb mache ich auch jetzt das, was ich heute mache. Es hat seinen Ursprung bei meiner großen Tochter gefunden, ich glaube, wenn ich das jetzt sagen müsste, was meine größte Herausforderung ist, dann ist es definitiv diese Fremdbestimmung, diese, dass sich überhaupt nicht alles nach dir dreht, sondern um dieses Baby, und das ist ja auch in gewisser Weise in Ordnung. Aber du hast dann teilweise auch selber so einen Schlafmangel und wirst selber stundenlang nicht essen und alles dreht sich um dieses Baby und das auch nicht nur für dich selber, sondern auch alle anderen. Weil es kommen ja Verwandte und Freunde zu Besuch und dann geht es nicht mehr nur um mich. Also es geht ja gar nicht um mich, da wird vielleicht noch gefragt: wie war die Geburt? Das war es dann meistens schon und dann geht es eigentlich eher um das Baby und es geht sehr wenig überhaupt noch um die Frau an sich, die dahintersteht. Ich sag immer wir brauchen eigentlich so ein Schutzschild für Schwangere und junge Mütter, die gerade Mütter geworden sind, weil sie auch ganz verletzlich sind und weil sie eine ganz enorme Entwicklung hinlegen. Für mich persönlich war auf jeden Fall diese Fremdbestimmung das, was enorm schwer war und auch dieses Ganze, wie sehr sich die Leute einmischen. Den krassesten Spruch, den ich bekommen habe, ist, dass ich gefragt wurde, als ich schwanger war, - das war im Kollegenkreis, also nicht irgendwie von Freunden - ob das denn ein Versehen oder geplant war. Und da denke ich, das möchte ich mit dir gar nicht besprechen, wir haben bis heute auch nur über das Wetter gesprochen. Das hat den Hintergrund, ich hatte gerade meinen Job gewechselt und natürlich alle waren neugierig, ob ich denn jetzt so dreist wäre und direkt schwanger geworden wäre.

Das erste Lebensjahr ist ja nicht nur für das Baby ein riesiger Entwicklungsprozess, sondern auch für die Mütter. Was passiert eigentlich in diesem Entwicklungsprozess des Mutterwerks?

Das ist zurzeit das Schöne, dass wir ganz viele tolle neue Forschungsstudien oder Ergebnisse haben. Es ist so, dass wenn wir Mutter werden, auch ganz viel bei uns passiert. Und zwar, dass einfach - das erleben ziemlich viele Mütter - die Gefühle auch Achterbahn fahren. Das ist natürlich irgendwie auf der einen Seite hormonell bedingt, aber wir sind auf der einen Seite in dem einen Moment einfach überglücklich über dieses Baby und im nächsten Moment sind wir unfassbar traurig. Und genauso sind wir dann wiederum wütend. Also die Gefühle sind sehr, sehr intensiv und sie sind aber auch sehr, sehr widersprüchlich und das kann sich ändern innerhalb von 2 Sekunden oder es kann sogar gleichzeitig passieren. Und das überschwappt uns so und wir wissen gar nicht, wie wir damit jetzt umgehen können und dürfen. An der Stelle ist auch viel so gesellschaftlicher Druck, was man als Mutter darf und was man nicht darf. Und da ist es einfach so, dass für diesen Entwicklungsschritt, dieses von der Frau zur Mutter werden, dass es da jetzt einen Begriff für gibt, und zwar die Muttertät oder auch Matrizenz genannt. Diese Begrifflichkeit haben die Schwesterherzen-Doulas Nathalie Lamotte und Sarah Gallan nach Deutschland gebracht und haben das zur Muttertät erklärt, was ich sehr passend finde, weil das eine Kombination ist aus Mutter und Pubertät. Es wurde erforscht, dass dieses Mutter werden, diese Entwicklung, sehr viele Parallelen zu der Pubertät hat, also ganz viele Charaktereigenschaften sind da ähnlich, zum einen auch diese Gefühle, die wir vielleicht auch alle noch aus der Pubertät kennen, dieses auf und ab also ist durchaus daran angelehnt beziehungsweise soll einfach auch zeigen, dass es sehr viel Ähnlichkeiten dazu gibt, wie man die Gefühle wahrnimmt und wie intensiv diese sind und wie widersprüchlich. Auch das es unfassbar viel mit einer Verunsicherung zu tun hat, mit einer Identitätsfindung, die in der Pubertät auch vonstattengeht und ein sehr ähnlicher Prozess, der einfach auch in dieser Muttertät abläuft, weil es einfach darum geht, wer bin ich eigentlich, wer bin ich eigentlich noch in diesem Ganzen. Also ich bin jetzt irgendwie Mutter, aber wer bin ich eigentlich noch in dem Ganzen?

Erleben das dann Männer eigentlich auch?

Ja, es gibt auch die Vatertät. Es gibt verschiedenen Ebenen, wo diese Entwicklung stattfindet. Das eine ist die körperliche Ebene, die psychologische Ebene, die Beziehungsebene, die berufliche Ebene und die spirituelle Ebene, und gerade bei der körperlichen Ebene finde ich das sehr, sehr spannend, dass die Vatertät genauso erforscht ist. Und dass auch da gesehen wird, dass wenn sich Menschen um Kinder kümmern, wenn sie Fürsorge leisten, dass das Gehirn sich verändert. Es ist wirklich nachweisbar, dass wenn du im MRT bist, kann man anhand deines Gehirns sehen, ob du für jemanden Fürsorge leistest in der Intensität wie für ein Kind.

Woran liegt es, dass dieses Thema jetzt gerade so in den Fokus gerutscht ist?

Das genau dieses Thema der Muttertät so in den Fokus gerückt ist, wie wir das mit der kompletten Frauengesundheit und mit der Frauenforschung hatten, liegt daran, dass jahrzehntelang nicht wirklich viel Geld in den Bereich investiert wurde. Zum Glück ist es bei der Mütterforschung auch so, dass sich ganz lange darum nicht gekümmert wurde oder auch einfach nicht so viel Geld investiert wurde und dass bei der Mütterforschung sich ganz viel dann erst angefangen hat zu entwickeln, immer in Beziehung zu dem Baby. Das heißt, die Mutter wurde sich nur in dem Bezug in der Beziehung zu dem Baby angeschaut. Es wurde immer nur das Kind betrachtet und nicht auf die Mutter an sich oder auch die Frau an sich, die dahintersteht. Ein bisschen spannender wurde das Ganze, als angefangen wurde die ganzen Krankheitsbilder bei Müttern zu erforschen. Wie postpartale Depression, Angstzustände etc. Auf der einen Seite hatten wir jetzt ja auch vor paar Jahren so eine regretting motherhood Bewegung, dass Frauen komplett ihre Mutterschaft bereuen, und auf der anderen Seite gibt es immer so dieses gefühlte Mutterglück, und dazwischen gibt es irgendwie nichts. Das ist zum Beispiel auch mein Ansehen oder das möchte ich mit meiner Arbeit auch erreichen, dass wir sagen, wir wollen ein ehrliches Bild abgeben, wie es ist, Mutter zu sein oder Eltern zu sein, wie es ist, Vater zu sein. Es hat tolle Seiten, aber es hat auch Herausforderungen und anstrengende Seiten. Und dass wir auch einfach über diese sprechen, und dass das auch alles normal ist. Es ist ja auch gerade durch Instagram manchmal schwierig, wenn man dann noch mal sieht, wie es bei anderen immer etwas leichter ist. Da müssen wir einfach noch ehrlicher werden. Und dass es in Ordnung ist, dass wir über die Herausforderungen sprechen, die einfach mit der Elternschaft einhergehen.

Solche Phasen sind aber ganz normal, oder?

Total. Gerade noch mal diese psychische Veränderung ist einfach enorm, wir haben auch eine sehr gesellschaftliche Norm weiterhin in Deutschland wie das Mutterbild zu sein hat, und da wird man sehr vom äußeren Erwartungsdruck überrannt. Das wird dir sehr klar vermittelt, wie du zu sein hast und was du zu tun hast und was du auch nicht darfst. Es ist so, dass wir einfach viel zu viele Erwartungen heutzutage an Mütter haben, man soll familiär sein, beruflich ambitioniert, immer noch natürlich hausfräulich, höchst perfekt, mütterlich und dabei völlig entspannt. Ist klar und immer ein Lächeln auf den Lippen. Bei meiner zweiten Tochter war ich sehr viel selbstsicherer, da wusste ich, ich mache das jetzt so, wie ich denke und es interessiert mich alles nicht mehr, was die anderen sagen. Aber gerade beim ersten Kind weißt du ja gar nicht, was ist denn jetzt das Richtige und du weißt selber auch noch gar nicht, was möchte ich denn eigentlich selber und gerade auch das mit dem Stillen, da liegt so ein Riesendruck drauf. Bei meiner ersten Tochter, da hatte ich Stillprobleme nach 3 Monaten und war dann in sämtlichen Stillgruppen unterwegs und hab natürlich versucht irgendwie eine Lösung dafür zu finden, weil ich wollte natürlich nicht aufhören zu stillen, weil das ist ja das Beste für das Kind. Die Erwartungshaltung - das ist wissenschaftlich mit Sicherheit alles fundiert, das möchte ich gar nicht sagen -, aber dieser Erwartungsdruck in diesen Stillgruppen war so viel, die Frauen waren so verzweifelt, die haben viel geweint, die haben Schmerzen erlitten und haben trotzdem alles Mögliche gemacht, dass bloß das Stillen weiter funktioniert. Ich mache systemisches Coaching, das heißt man guckt sich immer das System an und das ist, wenn so ein Kind auf die Welt kommt, alles noch wackelig. Das ist wie ein Babymobile. Da kommt jemand Neues, der wird mit angehangen an dieses Mobile und dadurch verschiebt sich das Gleichgewicht und dann gerät erstmal alles ins Wanken und so ist das bei der Beziehungsebene auch in dieser Zeit. Man muss einfach zu dem Partner nochmal schauen, wie ist das jetzt, jetzt sind wir irgendwie beide Eltern, wie kriegen wir das hin. Aber auch zu der eigenen Mutter, zum Vater, zu den Schwiegereltern, zu allen, die in diesem System mithängen. Es passiert häufig, dass da irgendwo dann auch noch mal so Konfliktpotenzial entsteht und das man da ganz anders auf einmal die Grenzen setzen muss. Weil bis dahin war viel in Ordnung, aber sobald man selber ein Kind hat und Mutter oder Vater ist, muss man für jemand anderes noch stark sein und muss man auch nochmal für jemand anderes die Grenze setzen. Und da ist dann natürlich auch noch mal ein ganz anderes Konfliktpotential dahinter.

Wie kann ich denn dann als Mutter bei den ganzen Herausforderungen mein eigenes Wohlbefinden und meine persönliche Entwicklung und meine Bedürfnisse priorisieren?

Man merkt vielleicht, ich arbeite sehr gerne mit Metaphern. Ich glaube, es ist am Wichtigsten, dass man sich bewusst darüber wird, dass Selbstfürsorge unfassbar wichtig ist in meinem Leben. Ich sag immer, es gibt ein Fass mit Fürsorge und Energie und unten ist ein Zapfhahn dran und der wird ständig aufgemacht. Fürsorge für alle möglichen Menschen geht da ab: das Kind, der Mann, die Mutter, Vater, Nachbarn, Freunde, alle Menschen zapfen sich dort ein bisschen Fürsorge und Energie ab. Und ich benötige aber auch Fürsorge und oben muss ich selber Fürsorge reingießen, damit dieses Fass nicht austrocknet. Ich merke das auch, wenn ich nicht mehr so geduldig bin mit meinen Kindern, dann weiß ich ganz genau, OK, mein Energielevel ist einfach schon viel zu weit unten und dann muss ich daran arbeiten, dass ich sage, OK, ich muss jetzt hier mal wieder an meiner Selbstfürsorge arbeiten und ich muss gucken, was hier gerade los ist bei mir. Das hat nichts mit meinen Kindern zu tun. Ich brauche für sie die Energie und das funktioniert aber nur, wenn es mir selber gut geht. Wie gesagt, sonst ist das Fass irgendwann ausgetrocknet.

Wie schaffen wir es denn jetzt, alle unsere Bedürfnisse in der Familie unter einen Hut zu?

Also ich kann dir stundenlang noch mehr erzählen, weil das natürlich mein Thema ist und das ist natürlich auch alles immer ganz einfach zu sagen… Es ist natürlich alles unfassbar viel Arbeit, und deshalb sage ich immer, das Erste, was man machen sollte - auch als Familie- ist miteinander zu sprechen, über die Erwartung: Was erwarten wir denn eigentlich voneinander? Und ich bin immer ein totaler Fan davon, wenn man das am besten sogar schon in der Schwangerschaft tut. Wie stellen wir uns unser Leben eigentlich vor zusammen und, dass wir darüber sprechen, wie wollen wir das dann alles zusammen schaffen?

Und das wir am Ende des Tages Sachen priorisieren und reduzieren müssen, weil wahrscheinlich auch nicht alles mehr machbar ist. Weil viel auch in dieser ganzen Vereinbarkeit, gerade wenn dann beide Eltern wieder arbeiten, dass einfach auch alles viel zu viel ist, dass man erstmal gucken muss, OK, was ist denn eigentlich gerade wichtig, welche Erwartungen haben wir? Welche Erwartungen sind uns wichtig? Welche wollen wir erfüllen und welche auch nicht? Welche sind uns zum Beispiel gar nicht so wichtig? Man kann auch nicht früh genug anfangen, sich ein Netzwerk aufzubauen, um sich Verbündete zu suchen, aber auf der anderen Seite auch um sich gegenseitig zu unterstützen.

Hast du dann noch andere praktische Tipps, um wieder ins Gleichgewicht zu kommen?

Der Austausch ist total wichtig in dieser Situation, auch mit Gleichgesinnten, dafür gibt es ganz viele Kurse, wo man sich Gleichgesinnte suchen kann, mit denen man sich austauscht. Achtet darauf, dass ihr eine gute Gruppe abbekommt, die auch ehrlich miteinander spricht. Wenn man sich nicht gut aufgehoben fühlt, dann auch keine Scheu haben, so einen Kurs einfach mal zu wechseln, weil es bringt nichts, wenn man sich da auch noch unter Druck gesetzt fühlt. Ich weiß das von meiner ersten Tochter, da hatte ich so einen Babykurs, da waren alle so super glücklich. Und ich habe mich da falsch gefühlt. Ich möchte ja auch mal über diese Herausforderung sprechen und ich glaube, da muss man auch den Mut haben, auch mal einen Kurs zu wechseln. Denn der Austausch mit Gleichgesinnten, denen es genauso geht wie einem selber, ist total wichtig. Und am Ende auch nicht so hart zu sich selber zu sein. Das ist eine unfassbar verletzliche und sensible Lebensphase und da wird einem ganz schön viel abverlangt. Und was ich immer gut finde, ich bin totaler Fan von einem Perspektivwechsel. Wenn man auch hart zu sich selber ist, und meistens sind wir unsere größte Kritikerin, dass man mal sagt, so, was würde ich jetzt einer Freundin raten, die in der Situation ist. Einfach zu überlegen, ist es jetzt eigentlich überhaupt realistisch, was ich da gerade von mir verlange. Und ja, alle Gefühle anzunehmen, die kommen. Und dass die in Ordnung sind und dass es genauso in Ordnung ist, Glück zu empfinden, wie aber auch mal Trauer oder Wut, und es darf einfach auch Momente geben, in denen wir uns unser altes Leben zurückwünschen und sagen, boah, wäre aber auch schön, Samstag einfach mal feiern zu gehen oder einfach mal Ruhe zu haben und nicht ständig in Bereitschaft zu sein für so ein kleines Baby. Und dass wir uns das einfach auch mal eingestehen dürfen, weil dieses Verdrängen macht es nur schlimmer und dann kommen die verdrängten Gefühle irgendwo anders raus und das wollen wir auch nicht. Und dass wir auch einfach nicht vergessen, dass wir Mütter halt Menschen sind - wir sind halt keine Superheldinnen, wie es teilweise suggeriert wird, sondern wir sind auch nur Menschen und wir haben auch unsere Gefühle und Bedürfnisse und die sind wichtig und richtig. Und auch die müssen irgendwo gesehen werden.

 Fazit 

Das erste Jahr als Mutter bringt neben viel Freude auch zahlreiche Herausforderungen mit sich, die oft wenig thematisiert werden. Das Interview mit Coach Franziska Helms beleuchtet die Vielschichtigkeit der Mutterschaft und die unvermeidlichen Erwartungen, denen Mütter sich stellen müssen. Franziska betont, wie wichtig es ist, authentisch über die Realität des Elternseins zu sprechen und dabei auch die oft unerwähnten, intensiven Gefühle zuzulassen. In einer Zeit, in der gesellschaftlicher Druck und persönliche Erwartungen hoch sind, erinnert sie daran, dass Selbstfürsorge und offene Kommunikation entscheidend sind, um in der Balance zu bleiben. Das Gespräch bietet wertvolle Einblicke für Mütter und Väter, die ihren eigenen Weg suchen, um Familie, Beruf und Selbstfürsorge harmonisch zu vereinen und die eigenen Bedürfnisse dabei nicht zu vernachlässigen.

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